Achtung: Die Gags in dieser Anekdote verstehen nur eingefleischte Skibergsteiger!
Man steigt seinen Tourenpartner nicht hinten auf die Ski! Das gehört sich nicht. Aber heute geht es wieder besonders langsam vorwärts. So eine einfache Sache, aber es verlangt meine ganze Konzentration. Bei jedem Schritt warte ich schon: Endlich bewegt sich der Ski vor meinen Skispitzen und exakt gleichzeitig, oder sogar schon ein klein wenig vorher beginne auch ich meinen Ski nach vorne zu schieben. Die Spur ist tief. Links und rechts von uns unberührter, fluffiger Pulver. Hans (Name geändert) geht vorne aus der Spur, um sich seine Jacke auszuziehen. Es ist doch gar nicht so warm? Im Prinzip, des aus dem Radsport bekannten belgischen Kreisel, ist jetzt Sepp (ebenfalls Name geändert) mit Spuren dran. Es geht nur kurz flott vorwärts, bis ich wieder bei jedem Schritt nur darauf warte, bis sich das Skiende in der Spur vor mir bewegt. Um uns weißer Nebel, der sich nicht vom ebenfalls weißen Schnee abgrenzt. Es gibt nichts zu sehen. Mir bleibt nichts anderes übrig und so starre ich weiterhin auf die Skienden meines Vordermannes.
Der Sepp geht einen Schritt zur Seite, um einen Schluck zu trinken. Komisch – hat er jetzt schon Durst? Wir sind doch noch nicht mal eine halbe Stunde unterwegs. Jetzt bin ich dran mit Spuren. Ich liebe es, wenn die gesamte Bergwelt unberührt vor mir liegt und ich die erste Spur in den Schnee ziehen darf. Endlich nicht mehr auf die Skienden des Vordermanns starren. Aha, die Ski lassen sich jetzt nur noch mit erheblichem Kraftaufwand nach vorne schieben. Nur wenige Meter und mein Puls beginnt zu steigen. Mein Atem wird schnell und intensiver. Hinter mir unterhalten sich entspannt Hans, Sepp und die Anderen über belanglose Sachen. Mir wird schon warm. Ich könnte jetzt aus der Spur gehen und ein Foto machen. Das glaubt mir jeder, dass ich jetzt ein Foto machen muss – schließlich habe ich in der Gruppe die Rolle des Fotografen. Doch was sollte ich fotografieren? Weißer Nebel über weißem Schnee? Das ist wenig überzeugend und die Gefahr ist groß enttarnt zu werden. Hans und Sepp würden es sofort merken, dass ich nur Fotografiere um nicht weiter spuren zu müssen. Jedes Mal, wenn ich mit viel Kraft den Ski belaste, sinkt dieser noch mal 30 cm tiefer in den Schnee ein. Mein Mund wird schon trocken. Gleichzeitig fallen die ersten Schweißtropfen auf meine Brille. Jetzt bleibt auch noch die Skispitze unter einem Ast hängen, den ich im tiefen Schnee nicht gesehen habe. Mir reicht´s! Ich gehe zur Seite, um mir meine Brille zu putzen. Und jetzt der spannende Augenblick: Nein, ich ernte kein abwertendes Kommentar, nicht mal zweifelhafte Blicke. Glück gehabt!
Solltest du auch mal keine Lust zum Spuren haben, kannst du auch den Toilettentrick verwenden. Der Vorteil darin liegt, dass dieser auch schon am Ausgangspunkt angewendet werden kann. Besonders bei Frauen wirkt dieser Trick sehr überzeugend: Möglichst weit in die Büsche, dann bist du sicher wieder ganz hinten in der Reihe. Der Toilettentrick ist ein wahrer Alleskönner, denn er kann auch bei jedem Wetter angewandt werden. Die Eincremeaktion hingegen ist natürlich nur bei schönstem Wetter möglich. Auch ein sehr einfaches Verfahren ist, sich völlig erschöpft auf die Skistöcke zu lehnen. Wichtig ist dann, dass dein Gesicht sehr erschöpft aussieht. Das kannst du schon lange vor der Tour zu Hause üben. Entweder allein vor dem Spiegel, oder noch besser lässt du dir von deinen Freunden sagen, ob dein Gesicht glaubhaft schmerzverzerrt ist. Ebenso zur Gruppe der Mitleidsmethoden gehört das Jammern. „Mein Schuh drückt.“ Oder, mit „Ich habe so schlecht geschlafen“ kannst du schon am Frühstückstisch einen entscheidenden Grundstein für den ganzen Tag legen.
Weiters lohnt es sich, seine große Brotzeitdose schon am Morgen prall zu füllen. Denn nur so kann das Hungerverfahren auch mehrfach angewendet werden. Mehrere Male aus der Spur zu gehen und immer einen kleinen Bissen vom gleichen Brot zu nehmen, das solltest du hingegen nicht tun. Das ist plump. Eindeutig ist die Situation allerdings, wenn deine Felle richtig aufstollen. Je nach Tour kannst du beim Aufstollschema ein wenig nachhelfen. Legst du die Spur rein zufällig durch einen Bach, werden deine Felle ordentlich mit Wasser durchnässt. Ein Garant, dass an deinen Fellen den ganzen Tag der Schnee kleben wird und du beim Spuren raus bist. Bei guter Ausführung ist auch das Abrutschverfahren überzeugend: Du benötigst eine kleine Wechte und gehst dummerweise diesen einen Schritt zu weit nach draußen. So rutschst du ein paar Meter ab und ein Freund wird die Spurarbeit übernehmen. Vielleicht erntest du sogar noch einen bemitleidenswerten Blick. Du bist aber innerlich total glücklich und schaust zufrieden aus deinem Loch nach oben.
Wer jetzt immer noch nicht genügend Tricks kennt, der wird wohl wirklich die anstrengende Spurarbeit übernehmen müssen. Doch alle anderen aufgepasst, den der Skitourenknigge sagt: Wer bergauf spurt, zieht auch bei der Abfahrt die First Line in den Pulverschnee!
Vielen Dank an Nori, Reini und Gi. Auf der erlebnisreichen, schönen und lustigen Reise 2022 nach Griechenland, habt ihr mir die Ideen für diese Anekdote geliefert. Wer auch über eine Skitourenreise nach Griechenland nachdenkt, findet hier alle nötigen Infos.