Voller Zuversicht fahren wir über den Brenner in die von uns so geliebten Dolomiten.
Diese Berge bezaubern uns im Winter mit steilen Karen zwischen den Felswänden und im Sommer sind wir von den steilen Türmen und ausgesetzten Graten begeistert. Auch weil das Wetter gut ist, sind wir guter Hoffnung die geplanten Touren machen zu können und so einen weißen Fleck auf unserer imaginären, persönlichen Kletterkarte einzufärben! Wir sind früh gestartet und können gleich noch in die Glückturm Westkante einsteigen. Unumstritten eine tolle Tour, die wir auf der herrlich gelegenen Juac Hütte bei herrlicher Aussicht auf den Langkofel mit ein paar Scheiben köstlichem Speck Revue passieren lassen. Ich erinnere mich, dass neben unserer Tour noch eine Kante war und erfrage, dass es sich um die ebenfalls schöne Südwestkante auf den Torre Juac handelt.
Tags darauf fahren wir auf das Sellajoch und starten zu den Sellatürmen. Ein bisschen suchen und nach ein paar Seillängen stehen wir auf dem 1. Turm. Es geht runter und wir wählen die Route auf den 2. Turm aus. Wir genießen das schöne Wetter und die tolle Aussicht. Den ersten Stand zur Abseilpiste suchen wir ewig und seilen uns ein wenig mühsam in die beeindruckende Schlucht ab. Unten angekommen ist der Ruf des Cappuccinos deutlich lauter als der des 3. Sellaturm. Irgendwie sind die Südtiroler und wir Bayern auf der gleichen Wellenlänge, was den gesamten Urlaub sehr angenehm macht. Und kochen können die Südtiroler vielleicht noch ein bisschen besser als wir Bayern. Abends genieße ich ein ausgezeichnetes Knödeltirs und den 3. Turm mit der Jahn Führe habe ich noch genau vor Augen.
Das Wetter für die Überschreitung der Fünffingerspitze ist heute nicht ideal. Nebelschwaden ziehen um die Wände und der Wind ist so kalt, dass man vergisst im Hochsommer zu sein. Im steilen und griffigen Fels geht es Seillänge um Seillänge nach oben. Ich klettere im Vorstieg um eine Kante und suche den Standring. Im Nebel erscheint plötzlich eine Lichtgestalt und ich frage sie, ob hier ein Stand ist? Da! Das Gesicht kenne ich doch! Ulligunde kannte ich bisher nur wegen ihrer tollen Website und über die sozialen Medien. „Schön, dass wir uns hier treffen. Wir sind über die Daumenkante raufgeklettert und seilen uns jetzt ab, weil es uns zu kalt ist.“ Aha, die Daumenkante!? Am Gipfel kommt ein wenig die Sonne durch, doch wollen wir nicht im unbekannten Gelände abklettern und abseilen. Wir gehen auf Nummer sicher, brechen die Überschreitung ab und seilen uns entlang unserer Aufstiegsroute wieder ab. Ein kleiner Schauer und die Sonne schenkt uns einen Regenbogen. Unten am Einstieg angekommen sehe ich einen kleinen Hinweis, wo sich der Einstieg zum Normalweg auf den Langkofel befindet. Klettertechnisch ist der Langkofel sicher kein Highlight. Doch wenn ich mich an den Anblick des Langkofels von der Juac Hütte erinnere, wird der Wunsch in meinem Herzen geweckt, einmal auf diesen Berg zu stehen!
Wir sind in den Tagen im Grödner Tal wirklich schönen Seillängen geklettert und hatten vor allem zusammen eine sehr schöne Zeit und viel Spaß! Doch der Plan, ein paar Routen abzuhaken, ist sich definitiv nicht ausgegangen. Mit mehr neuen (bzw. nicht vollendeten) Touren im Kopf, als abgehakten Zielen fahren wir nach Hause. Als in einer Leistungsgesellschaft zielgerichtet erzogener Deutscher denke ich lange über die Situation nach. Doch irgendwann wird die Lösung klar: Man kann es nicht schaffen, jeden begehrenswerten Gipfel zu besteigen. Und das Witzige daran ist, dass es genauso sein muss! Nur so kann die Sehnsucht auf neue Routen erhalten bleiben. Es ist ein schrecklicher Gedanke, hätte ich mal kein Verlangen mehr unbekannte Berge zu entdecken! Das Feuer in uns kann nur durch neu entdeckte Wunschziele Tag für Tag weiter brennen!
Dolomiten, wir kommen gerne wieder ein paar Touren abzuhaken!
Die Klettertouren an der Fünffingerspitze und an den Sellatürmen sind im Detail mit schönen Topos in meinem neuen Buch beschrieben: Türme – 50 Klettertouren
Alle Details zur „Glück“ findet ihr unten: