Skitouren auf Korsika

Weit entfernt unter uns hängt der Nebel über dem Meer. Schritt für Schritt. In gleichmäßiger Geschwindigkeit setze ich die Füße höher. Links, rechts, links, rechts… Die Steigeisen geben in den Löchern der gleichmäßigen Firnflanke sicheren Halt. Der Pickel kann sogar am Rucksack bleiben. Bedingungen: perfekt! Immer wieder ragen rötliche Granitzapfen aus dem Schnee. Kleine, große und sehr große. Sie müssen geschickt umgangen werden. Unterhalb eines Felsen noch queren und dann können wir die letzten Meter zum Gipfel ansteigen. Jetzt erkennen wir, dass es sogar ein kleines Gipfelkreuz gibt. Oben. Auf der anderen Seite gibt es keine Wolke – wir staunen hinab bis ins Meer. Dieses verschmilzt am Horizont mit dem stahlblauen Himmel. Was für ein Ambiente. Nachdem wir uns gestärkt und sattgesehen haben, schnallen wir direkt am Gipfel die Skier an. Flüssig zeichnen die Ski die ersten Bögen in den Schnee. Nur ein paar schwach erkennbare alte Spuren, doch die reichen. Zwischen den vielen Türmen fädeln wir in die richtige Rinne ein. Auf dem schmalen weißen Band schwingen wir abwärts. Links und rechts von uns steile Granitwände. In kurzen Abschnitten wird es extrem steil. Doch bei so griffigen Firn ist auch das kein Problem. In der Mitte wird es breiter und wir können zur Abwechslung auch mal größere Bögen fahren. Wir sind nur im Hier und Jetzt. All die Tragestrecken und Mühen sind vergessen. Der Monte Cinto ist der absolute Höhepunkt der Skitourensaison!

Charakter

Die Granitberge auf Korsika sind ursprünglich und wild.

Sehr weit schlängeln sich die schmalen Straßen in unzähligen Kurven die engen Täler einwärts. Uralte Schwarzkiefern säumen den Weg. Nicht zu übersehen ist der überall präsente Granit. Kein Wunder, dass in den Sommermonaten der GR20 so beliebt ist. Doch die Berge Korsikas sind im Winter mindestens so spannend als zur Wandersaison. In höheren Lagen gibt es noch strauchartige Gewächse, die aber kein großes Hindernis sind. Mit dem Granit musst du dich auf Korsika bis zu den höchsten Gipfeln arrangieren. Der Monte Cinto ist immerhin 2.706 m hoch und weitere Gipfel nicht viel niedriger. Es gibt schon auch weite Kare und großzügige Flanken. Doch charakteristisch und begehrenswert sind die steilen Rinnen. Es versteht sich von selbst, dass diese nur bei sehr sicheren Verhältnissen befahren werden können. Wie in den Alpen auch macht man das klassisch im Frühjahr bei Firn. Steigeisen und Pickel gehören für diese anspruchsvollen Touren zur Standardausrüstung. Wenn der Schnee bis weit nach unten reicht, bieten sich auch die weniger hohen Berge für Skitouren an. Diese sind für schöne Pulverschneeabfahrten im Hochwinter die erste Wahl. Die Skitourencommunity auf Korsika ist klein. Wir haben eine ganze Woche nur eine Handvoll Skibergsteiger getroffen. Abgesehen vom Monte Renoso – und dies ist kein Zufall: der hoch gelegene Ausgangspunkt und das weitläufige Gelände über den Pisten machen Skitouren hier leicht konsumierbar. Zusammengefasst gibt es für Skitouren auf Korsika viele, viele Möglichkeiten, die geschickt genützt, viel Spaß bereiten.

Klima

Mediterranes Klima – aber nicht in den Bergen.

Auf Korsika herrscht, mit heißen, trockenen Sommern und milden, feuchten Wintern, typisches Mittelmeerklima. Das Meer wirkt im Winter als Wärmespeicher. Es kann abgeleitet werden, dass dieser Einfluss mit zunehmender Seehöhe stark abnimmt. Überraschend ist das große Gefälle bei den Niederschlägen: In den Bergen gibt es circa viermal so viel Niederschlag als an der Küste. So ist in den mittleren und hohen Lagen üblicherweise im Winter eine geschlossene Schneedecke vorzufinden. Diese gut gesetzt ist das Frühjahr mit Firn die ideale Reisezeit für Skitouren auf Korsika. Wir hatten diesen berühmt-berüchtigten Firn des Südens tatsächlich: Einige Zentimeter butterweich vom Gipfel weg bis hinab an die Schneegrenze. Auch durch den Klimawandel werden die Zeitfenster mit guten Bedingungen immer kürzer. Von Mitte Februar bis Mitte März dürften die Chancen für Mont Cinto und Co am größten sein.

Die Profis aus Frankreich stellen auch für Korsika einen guten Lawinenlagebericht zur Verfügung. Im Bulletin sind auch aktuelle Schneehöhen, getrennt auf Nord- und Südseiten angegeben. Die Erfahrung auf meiner Reise hat allerdings gezeigt, dass diese für Skibergsteiger „optimistisch“ gemessen sind. Um Schneehöhen auch vor der Reise gut abschätzen zu können, hat sich die App ExoSnow gut bewährt.

Anreise

Mit der Fähre von Livorno nach Bastia.

Zur Skitourensaison fährt täglich eine Fähre von Livorno auf die Mittelmeerinsel. Mit dieser verursachst du auch eine deutlich geringere CO₂ Belastung als mit dem Flugzeug. Zudem kann das eigene Auto auf der Insel genützt werden. Wenn du noch weniger CO₂ Belastung emittieren willst, kannst du auch mit dem Zug nach Livorno fahren und auf der Insel ein Leihauto nehmen. Zumindest zur Skitourensaison steht auf Korsika kein brauchbares Netz von Öffis zur Verfügung. So gibt es leider keine andere Möglichkeit, als die zum Teil langen Anfahrten zu den Ausgangspunkten mit dem Auto zu bewältigen. Einzig könnte man mit einem Campingbus die eine oder andere Fahrt einsparen. Doch da wild campen auf Korsika verboten ist, ist auch das keine wirkliche Alternative. Von den mir durchgeführten Skitouren auf den Monte Cardo und den Monte Cinto ist ein Geländefahrzeug mit viel Bodenfreiheit und Reifen, die für den sehr groben Schotter tauglich sind, hilfreich. Beim Monte Cardo sparst du dir mit einem Geländefahrzeug circa 30 Minuten, beim Monte Cinto circa 1:30 Stunden. Für die Anfahrt zum Monte Cinto kann auch ein »Skitourentaxi« genützt werden. Der Wirt des Casa Vanella hat hierfür gute Kontakte.

Leute und Sprache

„Wisst ihr schon, was ihr macht?“

Werden wir im höflichen Ton am Ausgangspunkt gefragt, als wir unsere Ski auf die Rucksäcke schnallen. Da weit und breit kein Schnee zu sehen ist, ist die Frage natürlich berechtigt. „Wir werden nur tragen, das hätte keinen Sinn.“ Als wir unsere geplante Route besprechen, wird die Meinung revidiert und der nette Korse nickt: „Das kann man machen.“ Alle Leute, die wir auf Tour getroffen haben, waren höflich und es werden Tipps für die beste Route bei den vorherrschenden Bedingungen ausgetauscht. Ein skibergsteigerisches Miteinander ist auf Korsika selbstverständlich. Einmal wird uns zurück am Parkplatz sogar Baguette, Salami und Käse angeboten. Auch in der Zivilisation hatten wir nur angenehme Begegnungen. Traditionell wird auf der Insel korsisch gesprochen, doch die Amtssprache ist Französisch. Wenn einer in der Gruppe der französischen Sprache mächtig ist, ist das natürlich von Vorteil. Doch auch mit Englisch kommst du auf der Ferieninsel gut zurecht.

Unterkunft

Im Casa Vanella sind die besten Skitourentipps inklusive.

Um die weite Anfahrt zu den Skitouren um Calaccucia zu verkürzen, empfiehlt es sich einige Tage im Hochtal zu verbringen. Sehr zu empfehlen ist das Casa Vanella in Casamaccioli. Es liegt wunderschön und du hast von der Terrasse einen herrlichen Blick über das Tal und den Monte Cinto. Preis-Leistung ist OK. Im Haus hast du die Möglichkeit, traditionell gekochtes Abendessen zu genießen. Aber das Wichtigste: Der Gastgeber kennt die Berge auf Korsika wie seine Westentasche. Er ist auch gut vernetzt und weiß immer, wo gerade der beste Schnee zu finden ist.

Für den zweiten Teil einer Skitourenreise auf Korsika ist eine Unterkunft in der Region Corte gut gelegen. Corte liegt zentral in den Bergen und deshalb können von hier aus die Ausgangspunkte der lohnendsten Skitouren erreicht werden. Für größere Gruppen ist das Ferienhaus Villa Adrien in Casanova zu empfehlen. Auch hier gibt der Vermieter wertvolle Tipps für Skitouren.

Essen und Trinken

Traditionelle Köstlichkeiten.

Was wäre Frankreich ohne Baguette? Dieses leckere Brot wird frisch gebacken an jeder Ecke verkauft. Gegessen wird es zu jeder Gelegenheit: zum Frühstück, als Gebäck zu jeder Mahlzeit und zwischendurch mit Schinken und Käse. Schafs- und Ziegenkäse ist ebenso überall auf Korsika zu finden. Er liegt schon an einem guten Frühstücksbuffet, wird auch als Füllung in gebackenen Vorspeisen verwendet und natürlich schließt Käse nach einem guten Essen den Magen. Wie die Landschaft ist auch das Fleisch auf der Mittelmeerinsel ein wenig karg. Doch entsprechend zubereitet ist auch das genussvoll. Schafe, Geißen und auch verwilderte Hausschweine sind überall auf Korsika zu sehen und landen auch auf den Tellern. Dazu gibt es Kartoffel, Reis und überraschend häufig werden auf Korsika auch Nudeln serviert. Fisch wird im Gebirge nur selten angeboten. Auch auf Süßspeisen wird großen Wert gelegt. Viel Tradition haben leckere Cremes zum Nachtisch.

Getrunken werden einheimische Rot- und Weißweine. Aber inzwischen werden auf Korsika auch Biere gebraut. Das Pietra ist wirklich gut und hat inzwischen schon einen Namen.

Das Preisniveau auf Korsika für Unterkunft, Essen und Trinken entspricht in etwa dem in den Alpen.

Rahmenprogramm

Das Highlight auf Korsika ist die Natur.

Es lohnt für ein paar Stunden durch die urigen Gassen von Corte zu schlendern. Sehenswert ist die Statue von Jean-Pierre Gaffori auf der Place Gaffori. Am Haus hinter der Statue wurden die Einschusslöcher als stille Zeugen der blutigen Unabhängigkeitskämpfe belassen. Von einem Aussichtspunkt hast du einen schönen Blick über die Stadt, das Land und auf die Citadelle (Festung).

Ebenso gibt es in der Citadelle von Bastia nette Gässchen zu erkunden. Doch das Kulturprogramm wirst du schnell abgehakt haben.

Jedoch drängt es sich fast auf, im Frühjahr die Skitourenreise mit Klettern zu kombinieren. Die Möglichkeiten an hervorragenden Felsen sind unüberschaubar. Es gibt Kalk in Meeresnähe und viele tolle Granitklettergebiete in den Bergen. Besonders auf Korsika, ist die große Anzahl der Tafoni. Diese Verwitterungen sind schön anzusehen und noch viel schöner zu beklettern. Direkt nach der Skitourensaison sind die Temperaturen für steilen Fels ideal. Alle nötigen Informationen zum Klettern auf Korsika findest du auf der Homepage von Markus Stadler.

Auch kann ich empfehlen, nach den Skitouren für einige Tage noch zum Wandern auf der Insel zu bleiben. Es sind um diese Jahreszeit noch kaum Touristen auf der Insel und so wirst du die Einsamkeit genießen. Blumen und Bäume beginnen zu blühen, es ist überall zu sehen, dass die Natur nach dem Winter erwacht.

Zum Baden ist es am Ende des Winters natürlich noch zu kalt. Doch ein paar Tage am Meer relaxen bietet sich immer an.

Führer und Karten

Führer Flop, Karten top.

Der Skitourenführer „Corsica Bianca“ ist in die Jahre gekommen und auch inzwischen vergriffen. Weitere Literatur steht leider nicht zur Verfügung. Auf Korsika gibt es viel noch viel selbst zu erkunden und zu entdecken. Jetzt bist du dran, dein eigenes Abenteuer Skitouren zu haben!

Für ganz Korsika sind die sehr detaillierten IGN Karten im Maßstab 1:25.000 verfügbar. Alle Skitouren auf Korsika sind auf folgenden drei Karten zu finden:

_ Blatt 4250 OT, Corte, Monte Cinto

_ Blatt 4251 OT Monte d´Oro, Monte Rotondo

_ Blatt 4252 OT, Monte Renoso, Bastelica

Weiters sind für die Detailplanung von Skitouren digitale Karten mit Hangneigungslayer nicht mehr wegzudenken. In guter Qualität, auf Desktop und als App sind diese bei alpenvereinaktiv.com verfügbar.