Skitouren in Griechenland: Landschaftlicher Höhepunkt ist die Abfahrt mit Meerblick vom Thron der Götter.
Einmal links, einmal rechts. Bei jeder Kurve werden die Gyros von gestern Abend gegen die Magenwand gedrückt. Es sind viele Kurven. Die Straße schlängelt sich im Weg, den der Berg vorgibt, mühsam in unzähligen Bögen aufwärts. Einen Meter gerade scheint es hier nicht zu geben. Doch dann erinnern wir uns: Mit jeder Kehre und mit jedem Meter den wir fahren sparen wir uns viele Schritte. Und wir haben heute noch einen weiten Weg auf den Thron der Götter vor uns. Einmal links, einmal rechts. Es eröffnen sich die ersten Blicke hinunter auf das Meer. Darin spiegelt sich die noch tief stehende Sonne in einem warmen Gelbton. Sensationell. Der Wein von gestern Abend wird noch mal links und rechts geschaukelt und schon sind wir am Ausgangspunkt. Auf dem ersten Wegabschnitt hat Demeter ganze Arbeit geleistet. Die Göttin der Fruchtbarkeit hat einen gesunden, sehr dichten Wald geschaffen. Der Fußweg bis zum Refuge Petrostrouga des Hellenic Rescue Team erleichtert uns das Durchkommen ein wenig. Die Hütte steht wunderbar auf einer Anhöhe, sodass uns wieder herrliche Blicke auf das Meer offenbart werden. Nach der griechischen Mythologie sollen die Götter am Olymp wohnen. Bei dieser Aussicht ist das absolut glaubhaft, dass sich Zeus und die anderen Götter hier an diesem herrlichen Ort niedergelassen haben. Der Wald aus mächtigen Bäumen wird lichter und wir steigen an einem ersten Plateau flach an. Es zieht sich. Wir müssen einen sehr exponierten Grat überwinden, der in einer felsigen Kletterpassage seinen Abschluss findet. Hier ist die Stärke des Herkules, welcher ebenfalls in den Olymp aufgenommen wurde, gefordert. Weiter geht es über das ewige Plateau der Musen. Hier hast du genügend Zeit, über den Sinn des Lebens und des Skibergsteigens nachzudenken. Vor allem solltest du hier gut überlegt die Entscheidung treffen, ob du noch genügend Kraft für den Mytikas hast? Lassen es die Verhältnisse überhaupt zu, in die 50 Grad steile Rinne zu gehen? Athene ist in der griechischen Mythologie die Göttin der Weisheit, der Strategie und des Kampfes. Ist heute der Tag, für den Kampf in den Olymp aufgenommen zu werden, oder ist zum Beispiel der Gipfel des Profitis Ilias deine Strategie? Jedenfalls sollst du die Göttinnen der Moiren – Schicksalsgöttinnen – nicht herausfordern. Egal, welchen Gipfel du als dein Ziel gewählt hast, bei der Abfahrt ändert sich die Perspektive: Wir erfassen das Meer vor uns und haben das Gefühl bis in das Wasser mit den Ski fahren zu können. Bei der Rückfahrt vom Olymp macht dir die kurvige Bergstraße hinunter bestimmt nichts mehr aus. Denn dein Magen ist sicher vollkommen leer. Nur der Kopf fällt müde hin und her. Einmal links, einmal rechts.
Bei meiner Reise nach Griechenland hat sich diese Anekdote zugetragen.
Charakter
Skitouren am Olymp und im Pindos sind sehr einsam. Die weitläufigen Gipfelhänge sind fast immer unverspurt.
Die typischen Skiberge in Griechenland sind über 2000 Meter und bis zu fast 3000 Meter hoch. Weitläufige, freie Hänge in unterschiedlichen Neigungen prägen die Gipfelanstiege. Die wenigen einheimischen Winterbergsteiger sind oft zu Fuß unterwegs – auch deshalb enden deren Spuren meist schon vor den schönen Gipfelhängen. Skibergsteiger gibt es in Griechenland nur sehr wenige. So ist der Schnee fast immer unverspurt. Ein Traum. Das bedeutet aber ebenso, dass du dir den Abfahrtsgenuss auch lange nach dem letzten Schneefall durch viel Spurarbeit hart erarbeiten musst. Bei mal wieder schwerer Spurarbeit hat mich meine Gruppe zu dieser Anekdote angeregt. Lange Zustiege auf flach angelegten Wirtschaftswegen sind weiter typisch für Skitouren in Griechenland. Mit ein wenig Glück können diese Straßen jedoch mit einem Geländefahrzeug noch bis zur Schneegrenze gefahren werden. Das Pindos Gebirge ist sehr dünn besiedelt und die Landschaft urig, ursprünglich. So sind besonders in den nördlichen Regionen Bären und Wölfe heimisch. Die schönsten Touren sind wohl im nördlichen Pindos zu finden: Astraka, Smolikas und Gomila. Diese werden auch immer wieder von den Locals bestiegen. Es ist lange nicht jeder Berg, der sinnvoll mit Ski bestiegen werden kann, in der Literatur oder im Internet beschrieben. Das Pindos ist ein Eldorado für Skitourenabenteurer.
Olymp: Die Südseite des Olymp prägen hügeliges Gelände und sanfte Hänge. Es sind in einer Tagestour mehrere unschwierige Gipfel, die auch fast 3000 Meter hoch sind, mit Abfahrten auf hindernislosen Hängen möglich. Der Mytikos – höchster Gipfel des Olymp-Massiv wird mit Ski am häufigsten von Osten aus bestiegen. Die Tour ist sehr lange und es sollte eine Übernachtung in einer der Winterräume eingeplant werden. Die Gipfelrinne ist mit circa 50 Grad extrem steil. Aber auch schon der überwechtete Grat zum Plateau der Musen ist technisch sehr schwierig und auf beiden Seiten absturzgefährdet. Die entsprechende Ausrüstung für den höchsten Berg von Griechenland mit Steigeisen und Pickel ist obligat.
Klima
In Griechenland gibt es deutlich mehr Schnee, als man erwarten könnte.
Im Pindos und am Olymp sind ordentliche Winter mit entsprechenden Schneefällen keine Ausnahme. Auf über 2000 Meter herrschen während der besten Skitourenzeit winterliche Temperaturen. Mediterran ist nur ein weiterer sehr prägender Klimafaktor: der Wind. Durch die Nähe zu den Meeren weht er an den Gipfel fast immer und manchmal auch in Orkanstärke. Mit der Wahl von weniger hohen Gipfel oder einer Umkehr bevor du die geschützten Wälder verlässt, kannst du dem Wind entkommen. Der viele Wind wirkt sich natürlich auch leider kritisch auf die Lawinensituation aus – er ist bekanntlich der Baumeister der Lawinen. Wenig verwunderlich gibt es in Griechenland keinen Lawinenlagebericht. Auch deshalb ist für eine Skitourenreise das Frühjahr, mit berechtigten Hoffnungen auf guten Firn und kalkulierbarer Lawinensituation, die empfehlenswerte Reisezeit. Bei meiner Reise nach Griechenland war auch noch die Kleinräumigkeit und die schnellen Veränderungen der Verhältnisse sehr auffällig: Auf einer Tour hatten wir einen Meter fluffigen Pulver. Dieser kommt mit kalter, kontinentaler Luft aus Nordosten. Am nächsten Tag nicht weit davon entfernt war viel, viel weniger Schnee und alles total verblasen. Auf der nächsten Tour im Gebiet schon fast Firn. Stell dich für Skitouren in Griechenland auf alles ein – dann liegst du richtig!
Anreise
Mit einem Geländewagen kannst du oft bis zur Schneegrenze fahren und die Skitour direkt am Auto beginnen.
Von allen größeren Flughäfen werden Direktflüge nach Thessaloniki angeboten. An den gut ausgebauten Autobahnen befinden sich in regelmäßigen Abständen Mautstationen. Die Straßen zu den Ausgangspunkten sind nicht immer in gutem Zustand und schlängeln sich, wenn auch flach angelegt, in unzähligen Kurven durch die Berge. Vorsicht: Von den Hängen herabgefallene Steine stellen plötzlich auftretende Hindernisse dar. Aufpassen solltest du auch keine Straßenhunde anzufahren, die gerne neben dem Auto herlaufen. Während der Skitourensaison muss jederzeit mit plötzlichen Wintereinbrüchen gerechnet werden. Dann ist ein Allradfahrzeug von großem Vorteil, zumal für die Leihwägen meist keine Winterreifen verfügbar sind. Ein paar Schneeketten im Kofferraum mit dabei zu haben, kann sicher auch nicht schaden. In den Bergregionen stehen ausreichend Fahrzeuge für einen guten Winterdienst zur Verfügung, so werden die Straßen auch zu kleinen, entlegenen Dörfern freigehalten. Besonders bei geringer Schneelage kann auf unbefestigten Wirtschaftswegen auch nach den letzten Siedlungen noch ein Stück mit dem Auto gefahren werden. Hierzu ist ein SUV unbedingt erforderlich, um sich Tragestrecken zu ersparen.
Leute und Sprache
Die Griechen sind stets nett und sehr hilfsbereit.
Wie in vielen anderen Völkern auch, haben alle Griechen den großen Wunsch einmal auf dem höchsten Berg des Landes zu stehen. Besonders, weil der Olymp auch geschichtlich und religiös eine so große Bedeutung in der Gesellschaft hat. So ist die entsprechende touristische Infrastruktur (für die Sommermonate) vorhanden und es gibt, wenn man ein bisschen Englisch kann keine Sprachbarriere. Eher selten, aber nicht ausgeschlossen, kannst du dich auch auf Deutsch unterhalten. Viele Griechen der älteren Generation waren zur Gastarbeit in Deutschland und können natürlich entsprechend gut deutsch. Schwierig ist es allerdings mit lesen: Die kyrillische Schrift ist ohne Übung nicht entzifferbar. Die Griechen sind freundlich und helfen dir an vielen Situationen gerne weiter. Gegenüber den üblichen Sommertouristen im Pindos haben Skibergsteiger „Sonderwünsche“. Wenn du höflich fragst, werden diese meist erfüllt. Jede Gelegenheit wird genützt, um ein nettes Pläuschchen zu führen. Im Land gibt es überall Hunde aller Art. Es kann schon vorkommen, dass der bereits etwas zu dicke Hund des Hotels beim Abendessen zum Betteln kommt. Es gibt Anwesen, die von einigen wild bellenden Tieren beschützt werden. Zu unangenehmen Begegnungen kann es auch mit den überall zu rumlaufenden Straßenhunden kommen. Aber es gibt auch sehr fromme Tiere, die dich einfach ein Stück auf dem Weg begleiten.
Unterkunft
In den Bergdörfern gibt es nette kleine Hotels mit hervorragendem Preis-Leistungs-Verhältnis.
Olymp: Für die Besteigung des Olymp ist ein Stützpunkt in Litochoro empfehlenswert. Von hier aus kann, wenn auch mit einer längeren Autofahrt je nach Verhältnissen, jeder Ausgangspunkt erreicht werden. Im Ort gibt es mehrere Hotels oder auch nette Pensionen.
Sehr hilfreich für die Besteigung des Mytikas ist das Refuge Petrostrouga. Dieses öffnet im Winter aber leider erst ab einer Belegung von 15 Personen. Ansonsten steht nur der unbeheizte Winterraum zur Verfügung. Alle weiteren Hütten sind sehr spartanisch und keinesfalls besser als so mancher Winterraum in den Alpen.
Südlicher Pindos: Im Touristenort Metsovo mit vielen Hotels, Restaurants, Cafés und Souvenirläden ist es im Winter ruhig. Doch das sehr traditionelle Hotel und Restaurant Galaxias ist auch zur Skitourensaison geöffnet und kann empfohlen werden. Geweckt wirst du in Metsovo vom schönen Glockenspiel der örtlichen Kirche.
Nördlicher Pindos: Das Städtchen Konitsa ist gut als Ausgangspunkt für die lohnenden Skitouren im Gebiet geeignet. Es hätte natürlich auch seinen Reiz, in einem der kleinen Bergdörfer eine Unterkunft zu beziehen. Doch dann muss noch häufiger das Quartier gewechselt werden. In Konitsa ist das Hotel Dentro zu empfehlen. Die Hausherrin hat nur für uns jeden Tag abends leckeres Essen gekocht.
Essen und Trinken
Kulinarisch ist Griechenland einsame Spitze!
Das wirkliche Highlight auf einer Skitourenreise am Olymp und im Pindos ist die hervorragende griechische Küche zu genießen. So richtig wie im Urlaub! 😊 Und das zu einem deutlich günstigeren Preis, als wir es aus den Alpen gewohnt sind.
Die erste griechische Spezialität wird meist schon im Flieger gereicht: Halva. Der Riegel ist allerdings vielen schon zu süß. Gegessen wird er zum Frühstück, zwischendurch und als Nachtisch.
Richtig genussvoll wird es dann am Abend: Traditionell wird viel Lamm und Ziege angeboten. Aber auch Schweine- und Putenfleisch gibt es in jedem Restaurant. Grillen ist die bevorzugte Garmethode. Als Beilagen werden Kartoffeln und vieles weiteres Gemüse, sowie auch Pilze gereicht. Vegetarier können diese in großen Portionen bestellen und müssen so auf nichts verzichten. Und außerdem gibt es zur Vorspeise natürlich griechischen Salat auf Wunsch mit einem Stück Feta. Nach dem Essen wird die Verdauung mit einem Ouzo angeregt und es wird wieder Platz für den Marmorkuchen zum Nachtisch. Hierzu trinkt man einen griechischen Kaffee. Dieser ist ähnlich dem Türkischen, also mit dem Satz in der Tasse. Traditionell wird in Griechenland zum Essen natürlich Wein getrunken. Doch es ist mehr und mehr üblich, auch Bier zu trinken. Die einheimischen Sorten wie Fix oder Mythos sind gut.
Im Pindos musst du dir auch keine Sorgen über das Frühstück machen: Eier, Brot, Butter, Marmelade, verschiedene Kuchen und sogar schon griechischer Salat werden serviert. Wenn du vom Abendessen am Morgen schon wieder Hunger hast, wird dir auch hier nichts fehlen.
Rahmenprogramm
Interessante Kultur, oder Entspannung am Meer.
Sehr lohnend ist es, die Klöster in Meteora zu besichtigen. Diese wurden auf den schlanken Felstürmen errichtet und sind ein echter Höhepunkt der griechischen Kultur.
Ein weiteres sehenswertes Kloster findest du auf dem Berg Athos.
Was wäre ein Griechenland Urlaub, ohne am Meer gewesen zu sein? Geschützte Buchten mit smaragdgrünem Wasser und schöne Strände findest du nördlich von Thessaloniki an den Landzungen von Chalkidiki.
Führer und Karten
Viel Raum für Abenteuer Skitouren.
Das Buch Skitouren mit Meerblick in Griechenland von Christian Mayer ist in griechischer, englischer und deutscher Sprache vom Anavasi Verlag herausgegeben worden und beschreibt viele interessante Skitourenziele in Griechenland.
Von gleichem Verlag gibt es Landkarten, die das Gebiet abdecken. Die Karten sind in verschiedenen Maßstäben abgedruckt, aber leider wenig detailliert und die plastische Darstellung ist schlecht.
Führer und Karten sind im Onlineshop von freytag & berndt erhältlich.
Der Panoramablick von den Gipfeln zeigt, dass es noch viele, viele Tourenmöglichkeiten gibt, die in keiner Literatur oder im Internet beschrieben sind. Auf geht’s: Abenteuer Skitouren!