Skitourenurlaub vor den Toren Roms.
Strand, Sonne, dolce Vita – diese drei Stichwörter verbinden die meisten Menschen mit einem Urlaub in Italien. Wenn du jedoch im Urlaub nicht zwingend am Strand entspannen möchtest, weißt du wahrscheinlich, dass man in Mittelitalien gut wandern kann. Der langgestreckte Gebirgszug des Apennin erstreckt sich von Ligurien im Norden den gesamten „Stiefel“ entlang bis nach Kalabrien im Süden. Und wenn du in den Bergen öfter auch mal höher hinaus willst, dann hast du sicher schon mal vom Hochgebirge vor den Toren Roms gehört: die Abruzzen. Im Sommer warten besonders am Gran Sasso beeindruckende Wandfluchten erklettert zu werden. Und im Winter bietet es sich geradezu an, die Gipfel mit Ski zu besteigen. Blickfänge der Gegend sind die malerischen Dörfer, die wie Schwalbennester an den Hügel kleben. Fast in jedem Dorf gibt es in den schmalen Gassen nette Bars, in denen die Einheimischen bei einem Espresso oder einem Gläschen Wein anzutreffen sind. Die Bergregionen sind touristisch kaum erschlossen. Wenn du kein Italienisch sprichst, kann die Kommunikation dort ein wenig schwierig werden. Aber dennoch solltest du dich nicht abhalten lassen, in einem urigen Agriturismo zu nächtigen oder in einem traditionellen Lokal zu speisen. Kleine Hürden in der Sprache sollen nicht als Laster empfunden werden. Sie sind eine Chance, sich mit den Menschen und der Kultur, in der du zu Gast bist, ein wenig zu beschäftigen. Da die Einheimischen sehr hilfsbereit sind, wird es trotz eventueller Sprachbarrieren an nichts Wesentlichem fehlen. In den höheren Regionen findest du zahlreiche Möglichkeiten für lohnende Skitouren mit Tiefblick auf die Täler und die Adria am Horizont. Besonders herauszuheben sind die Berge der Majella und die Skitourenziele am Gran Sasso. Doch auch in den Sibillinischen Bergen, im Laga-Gebirge und im Regionalpark Sirente-Velino sind lohnende Skitouren möglich. Ziele gibt es mehr als genug. Die beiden großen Gebirgsstöcke werden durch einen Nationalpark geschützt – und dies so erfolgreich, dass in den Abruzzen sogar Bären und Wölfe zu finden sind (gransassolagapark.it und parcomajella.it). Diese wilden und beeindruckenden Tiere sind sehr scheu. Es ist nahezu auszuschließen, einem Wolf oder Bären über den Weg zu laufen. Da die weitläufige Landschaft viel dünner, als die der Alpen besiedelt ist, gibt es nur selten Kontakte mit Weidetieren und damit auch weniger daraus resultierende Probleme. Es versteht sich von selbst, dass wir uns rücksichtsvoll in der herrlichen und schützenswerten Natur verhalten. Insbesondere spät in der Saison kannst du in den Abruzzen perfekten Firn erwischen. Okay, Firn gibt es zwar auch in den Alpen; aber Ausblicke von den Gipfeln bis zum Meer am Horizont nicht. Und nach der Abfahrt einen Cappuccino auf einem idyllischen Dorfplatz, den gibt es nur in den Abruzzen. So wünschen wir uns in Mittelitalien die leicht abgeänderte Kombination: Firn, Sonne, dolce Vita!
Alle Infos zu Skitouren in den Abruzzen sind auch in meinem Buch Abenteuer Skitouren – Best of Europe zu finden. Nach 2015, durfte ich im Frühjahr 2025 wieder in die Abruzzen reisen. Folgend findet ihr die aktualisierten Angaben.
Charakter
Skibergsteigen in den Abruzzen ist lieblich bis extrem.
Gran Sasso: Die höchste Erhebung des italienischen Festlands außerhalb der Alpen ist der Corno Grande. Folglich ist die 2912 m hohe Felsbastion natürlich sommers wie winters für Bergsteiger ein sehr begehrtes Ziel. Es gibt mehrere Routen, die aber alle sehr anspruchsvoll sind. Auf der Südostseite des Corno Grande erstreckt sich die nicht enden wollende Hochebene Campo Imperatore. Im Volksmund wird das Campo Imperatore völlig passend auch „Klein-Tibet“ genannt. Dort oben befinden sich auf 2100m am Fuße des Gran Sasso einige Skilifte und ein wenig zu empfehlendes Hotel. Zu empfehlen hingegen sind die weiteren Skiberge: Monte Corvo (2623 m), Pizzo d’Intermesoli (2635 m), Monte Brancastello (2385 m) und Monte Prena (2561 m), auf die hier nicht näher eingegangen wird.
Majella: Die Berge der Majella lassen für Skibergsteiger keine Wünsche offen: Es gibt sanfte Hügel, auf deren breiten Hängen auch weniger erfahrene Skibergsteiger Spaß haben. An diesen kann selbst bei etwas widrigen Wetterbedingungen ein Versuch gestartet werden. Auf der anderen Seite gibt es durchaus rassige Touren. Hier ist besonders die Rava Giumenta Bianca auf den Monte Amaro zu nennen, welcher mit 2793 m der zweithöchste Berg der Abruzzen ist. Am Kamm des Monte Amaro gibt es auch nördlich und südlich der Rava Giumenta Bianca Abfahrten die viel Spaß versprechen.
Ein empfehlenswerter Reiseablauf ist, sich zuerst in Assergi oder L´Aquila ein Quartier zu suchen. Für erste Touren im fremden Gebirge und um die Schneelage zu erkunden, eignen sich die Touren am Campo Imperatore. Gute Bedingungen werden natürlich genützt, um als Höhepunkt der Reise den Corno Grande zu besteigen. Anschließend fährt man nach Caramanico Terme und lässt die Reise in der Bergen der Majella genussvoll ausklingen.
Klima
Zwischen den Meeren gibt es häufig Wetterkapriolen.
Die Abruzzen, exponiert zwischen der Adria und dem Tyrrhenischen Meer stehend, sind den Wetterkapriolen voll ausgesetzt. Schnelle Wechsel zwischen Sonne und dramatischen Wolkenstimmungen sind absolut üblich und auch von den Meteorologen nicht vorhersehbar. In den Bergen kann es sehr lange extrem trocken und damit äußerst schneearm sein. Es ist aber auch möglich, dass Kaltfronten innerhalb weniger Stunden erhebliche Schneemassen über dem Gebirge abladen. Nicht zu früh im Winter, dafür bis in den Frühling hinein, sind gute Bedingungen für Skitouren zu erwarten. Eines ist jedoch sicher: Wie am Meer ist mit häufigem und kräftigem Wind zu rechnen. Entsprechende Kleidung ist auf jeder Tour mitzuführen. Auch die Lawinensituation kann durch die starken Winde negativ beeinflusst werden und deshalb ist besonders auf Anzeichen von gefährlichem Triebschnee genau zu achten.
Bei der Beurteilung der Lawinensituation ist das Bulletin auf meteomont.carabinieri.it/home eine große Hilfe.
Um Schneehöhen auch vor der Reise gut abschätzen zu können, hat sich die App ExoSnow gut bewährt.
Anreise
Eine lange Autofahrt.
Vom Alpenraum über den Brenner nach Verona (A22), weiter über Bologna und San Marino und dann auf der A14 entlang der Adriaküste nach Ancona. Um ins Gran-Sasso-Gebiet zu kommen, verlassen wir die Autobahn an der Anschlussstelle Teramo-Giulianova. Nach einem kurzen Stück auf der Landstraße gelangen wir auf die A24 und fahren weiter in Richtung L´Aquila. Man fährt durch den langen Tunnel auf die südliche Seite der Abruzzen und erreicht direkt hinter diesem Assergi.
Um in die Majella-Gruppe zu kommen, fährt man auf der A14 weiter nach Süden und dann auf Höhe von Pescara auf der A25 Richtung Rom. Die A25 verlässt man an der Abfahrt Alanno-Scafa und gelangt dann auf Nebenstraßen nach Caramanico Terme.
Die Anreise mit dem Auto vom Nordalpenraum in die Abruzzen ist mit circa 10 Stunden Dauer zeitlich und auch finanziell gerade noch akzeptabel. Auch wenn man berücksichtigt, dass für die italienischen Autobahnen erhebliche Mautkosten anfallen. Mit dem Flugzeug in die Abruzzen zu reisen ist sicher teurer, inklusive aller Wartezeiten am Flughafen kaum schneller und hat natürlich auch eine deutlich schlechtere CO2-Bilanz. Wer dennoch fliegen will, landet in Rom und gelangt von dort mit dem Leihauto in rund zwei Stunden in die Abruzzen.
Leute und Sprache
Nur keine Hektik!
Die Einheimischen werden dem landläufigen Ruf der Italiener gerecht und sind gemütlich, manchmal auch sehr gemütlich. Hektik und Stress sind für die Italiener Fremdwörter im doppelten Sinn. Dies müssen wir mit entsprechender Ruhe und bei Bedarf mit Geduld akzeptieren. Dennoch wird uns Gästen auf Nachfrage höflich Auskunft erteilt und du bekommst auch den einen oder anderen wertvollen Tipp. In den abgelegenen Bergdörfern kann es vorkommen, dass du dich nur auf Italienisch verständigen kannst. Hingegen wird in touristisch erschlossenen Gebieten oft Englisch verstanden und gesprochen.
Unterkunft
In einer Ferienwohnung in L’Aquila bist du maximal flexibel.
Gran Sasso: Für die Touren am östlichen Ende des Campo Imperatore bieten sich die Unterkünfte im stilvollen Bergdorf Castel del Monte an. Die Südseite des Gran Sasso erreichst du am schnellsten aus einem Quartier in Assergi. Von dort fährst du mit der Seilbahn auf das Campo Imperatore zum Ausgangspunkt der Skitouren. Alternativ zu Assergi ist als Stützpunkt auch L’Aquila, mit seiner schönen Altstadt und den vielen Restaurants und Pizzerien empfehlenswert. Von Assergi bzw. L‘Aquila sind ebenfalls die Touren am östliche Campo Imperatore und dank des Tunnels die Anstiege auf der Nordseite des Gran Sasso Gebirges erreichbar. So kannst du mit etwas längeren Anfahrten ideal auf die aktuell vorherrschenden Bedingungen reagieren. In Italien ist die übliche Uhrzeit und der Umfang des Frühstücks für Skibergsteiger oft nicht ideal (zeitiger Aufbruch bei Frühjahrsbedingungen). Deshalb ist es sinnvoll eine Ferienwohnung zu buchen, welche in ausreichender Anzahl in den einschlägigen Portalen verfügbar sind.
Majella: Hier ist das Hotel Ede in Caramanico Terme uneingeschränkt zu empfehlen. Das Frühstücksbuffet ist für Italienische Verhältnisse sehr umfangreich und zum Abendessen werden regionale Produkte zu einem mehrgängigen Menü lecker zubereitet. Im Hotel Ede sind oft auch andere Skitourengruppen einquartiert, so kannst du dich am Nachmittag, beim Snack nach der Tour, über die Verhältnisse austauschen. Ein wenig außerhalb von Caramanico Therme bieten Agriturismen (Bauernhöfe) günstige Übernachtungsmöglichkeiten.
Essen und Trinken
Arrosticini und ein Ichnusa.
Landestypisch kann das Frühstück eher knapp ausfallen. Die Energiebilanz wird jedoch abends mit der leckeren italienischen Kost oft wieder mehr als ausgeglichen. Dass du mit einer Pizza oder einem Teller Nudeln in Italien immer richtig liegst, ist klar. Zum Trinken kann ein Glas regionaler Wein empfohlen werden – doch auch die italienischen Biere sind inzwischen gut und nicht mehr überteuert. Die Küche in den Abruzzen ist sehr traditionell. Vieles was heute eine Spezialitäten ist, hat ihren Ursprung im abgeschiedenen und einfachen Leben der Schafhirten in den Bergen und wurde von Generation zu Generation überliefert. Vorweg wird gerne eine Gemüsesuppe serviert. Als Zwischengericht sind Spaghetti alla Chitarra, eine Art dünne Nudeln mit quadratischem Querschnitt, die Besonderheit der Region. Das an jeder Ecke zu erhältliche Fleischgericht sind die leckeren Arrosticini. Für diese werden kleine Fleischstücke aus Schaf oder Lamm auf Spieße gesteckt und gegrillt. Sie sind in Restaurants und auch für zwischendurch im Straßenverkauf erhältlich. Dazu ein Ichnusa (sardisches Bier) und du fühlst dich wie zu Hause an der Würstelbude. Typisch für die Gegend ist der leckere Pecorino-Käse, welcher in verschiedenen Untersorten hergestellt wird. Natürlich verwendet man zum Braten gutes und gesundes Olivenöl aus der Umgebung; auch Salate und Antipasti werden damit abgeschmeckt. Die Süßigkeiten zum Nachtisch sind durch die reichhaltige Auswahl an Zutaten wie Mandeln, Most, Honig, Schokolade oder Traubenmarmelade sehr abwechslungsreich. Besonders munden die gefüllten Pizelle (Waffeln) oder der Parrozzo, ein mit Schokolade überzogener Mandelkuchen, dazu trinkt man natürlich einen Espresso.
Das Preisniveau in den Abruzzen für Unterkunft, Essen und Trinken ist günstiger als in den Alpen.
Rahmenprogramm
Sehenswerte Bergdörfer.
Das Meer ist nicht weit, es bietet sich an, nach einer kürzeren Skitour an die Küste zu fahren und den Nachmittag am Strand zu verbringen. Zum Beispiel ins nette Städtchen Ortona, dort kann zusätzlich das Renaissance-Schloss Castello Aragonese besichtigt werden.
L‘Aquila besitzt einen malerischen Stadtkern mit kleinen Piazzen, welche mit Brunnen und Palazzi geschmückt sind. Hier findet auf den Straßen reges Leben statt. Am oberen Ende der Altstadt ist auch die Festung mit ihren tiefen Gräben sehenswert. Von hier hast du auch einen schönen Blick auf den Corno Grande. Tragischerweise wurde die Stadt am 9. April 2009 von einem verheerenden Erdbeben großteils zerstört. Seither wird die Stadt in mühseliger Kleinarbeit wieder aufgebaut. Eine Besichtigung ist interessant und empfehlenswert.
Wenn es am Corno Grande und Co schneit und stürmt, kannst du in der Grotta di Stiffe in den wetterunabhängigen Untergrund abtauchen. In der beeindruckenden Karsthöhle bei L’Aquila findest du imposante Wasserfälle, die in einen unterirdischen See stürzen und große, von der Decke hängende Stalaktiten.
Führer und Karten
Es ist eine vollständige Literatur für Skitouren verfügbar.
Von Versandte Sud gibt es für die Region zwei sehr detaillierte und schön bebilderte Skitourenführer: Skialp tra Gran Sasso e Sibillini und Skialp tra Majella e PN Abruzzo-Lazio-Molise
Die topografischen Karten vom Verlag Edizioni il Lupo sind von der Darstellung nicht ganz aktuell, aber es sind auch die Skirouten eingezeichnet. Die wichtigsten sind Blatt 3 Gran Sasso D´Italia und Blatt 13 Majella 1:25.000. Diese sind übrigens auch auf alpenvereinaktiv.com mit der Karteneinstellung „Topo“ verfügbar (Pro Abo erforderlich).
Weiters sind für die Detailplanung von Skitouren digitale Karten mit Hangneigungslayer nicht mehr wegzudenken. In guter Qualität, auf Desktop und als App, sind diese ebenso auf alpenvereinaktiv.com verfügbar.
Von mir durchgeführte und empfehlenswerte Touren:
Weitere Touren im Gebiet Gran Sasso werden in Kürze eingestellt.
Alle Informationen für die schönsten Touren in der Majella findest du im Buch Abenteuer Skitouren – Best of Europa.